Bertolt Brecht: Der Untergang des Egoisten Johann Fatzer

Schaubühne am Halleschen Ufer, Berlin-Kreuzberg 02/1976

Der von Bertolt Brecht hinterlassene Entwurf wurde als eine Szenenfolge in der Regie von Frank-Patrick Steckel und Jan Kauenhoven aufgeführt. Das Bühnenbild schuf Karl-Ernst Herrmann: dezimeterhoher Dreck, Wasser, das in der im Vordergrund erkennbaren Rinne gesammelt wurde und vor allem eine fahrbare Panzernachbildung, unterstützten das Spiel der Schauspieler. Der aus Stahlrohr und Sperrholz wohl etwas kleiner als das deutsche Original gefertigte Panzer bewegte sich auf der Bühne, bedient von zwei Bühnentechnikern. Jeder trieb eine der beiden Ketten an. Wohl so häufig wie beim Original kam es zu Kettenschäden, wenn bei den Proben im Morast zu enge Kurven gefahren werden mussten.

Der Liebe des Werkstättenleiters Jürg Steiner für kinetische Konstruktionen kam die Aufgabe entgegen; einige Fotos als Vorlage mussten genügen.

Gerhard Stadelmaier schrieb anlässlich des Todes Karl-Ernst Herrmanns am 15. Mai 2018 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: ›Natürlich konnte er auch einen Panzer auf die Bühne bringen. Zum Beispiel einen britischen Tank aus dem Ersten Weltkrieg. In Originalgröße samt allen Details. Mit Bord-MG, Sicht- und Schussluken, bestialisch rasselnden Ketten. Ein Stahlgetüm, bedeckt mit dem Dreck und dem Schlamm der Schlachtfelder, auf denen sich „Der Untergang des Egoisten Fatzer“ in einer „Auswahl aus dem Fatzer-Fragment“ Bertolt Brechts abspielte, in Szene gesetzt 1976 in der alten Berliner Schaubühne am Halleschen Ufer. Dabei wirkte der Panzer, den der Bühnenbildner Karl-Ernst Herrmann in den engen, beschränkten Raum des Hauses hineingewuchtet hatte, weniger als naturalistisches kriegerisches Bild-Zitat. Mehr als anarchisches Un- und Urtier. Ein vernichtendes Schreckenswunderding, menschenfresserisch, schillernd in allen Untergangsfarben.
Dieses Ding war 1976 schon seit rund sechzig Jahren bekannt. Der Bühnenbildner hat es nur vorgefunden. Aber er hat das Vorgefundene zu seiner Erfindung gemacht. Und es war nichts der Szene pseudo-genialisch oder großtuerisch Aufgenötigtes, sondern wurde aus der Szene heraus entwickelt, ihren Figuren, ihrem Menschen- und Schreckensmöglichen. Es kam nicht aus dem Baukasten, in dem die Einfälle plump parat liegen. Es kam aus einem schaugierigen Bewusstsein. Das dorthin wundersehend drang, wo andere (also wir) nur Material oder gar nichts sahen.‹ (Auch bei einem brillanten Kritiker können sich Details der Erinnerung verschieben.)

Das erste Bild ist von Ruth Walz, das zweite von Jürgen Henschel [FHXB Friedrichshain-Kreuzberg Museum].