In einer Schlüsselszene von Luc Bondys Inszenierung verlangte Karl-Ernst Herrmann für seinen Bühnenraum ein veritables Kettenkarussell. Während der übrigen Zeit war dieses, von Bühnentechnikern mit Greifzügen hochgezogen, im Rollenboden halbwegs verborgen.
In der unteren Position hing das Karussell nicht mehr in den Seilen, sondern stabilisierte sich, indem die beiden Hängegestelle zu Kniehebeln wurden. An diesen Abhängern hing die Arbeitsfläche für die Techniker, die das Rad über die Mittelachse drehten. Der Korpus des Karussells lagerte auf Rollenböcken, die sich auf einer um die Standfläche herum reichende Schienenfläche drehten. Ein Schleifring – geschützt im Plastikeimer im unteren Bereich der Mittelachse – gewährleistete die Beleuchtung im Korpus. Im abgesenkten Zustand ließen die Bühnentechniker die ebenfalls im Rollenboden verborgenen Tierfiguren herab, die Holzbildhauer mithilfe von Tischlern der Schaubühne geschaffen hatten. Auf dem ersten Bild sieht man Angela Winkler und Werner Rehm als letzte Gäste auf dem Rummel. Von Hand ließen zwei Bühntechniker das Karussell in unterschiedlichem Tempo rotieren. Der Handbetrieb war praktisch lautlos und sparte auch Kosten. In den vorderen Reihen konnte das Publikum die Bühnentechniker auf dem Karussell sehen, was durchaus die Inszenierung unterstützte. Der junge Konstrukteur Jürg Steiner, von dem auch die Fotos sind, hat für diese erste große mechanische Konstruktion viel Lob erhalten.Das von Else Lasker-Schüler als ›Stadtballade‹ und ›böse Arbeitermär‹ bezeichnete Stück von 1909 wurde erst 1919 zum ersten Mal aufgeführt. Das Düstere des Stücks blieb Jürg Steiner beklemmend in Erinnerung, als er 2000 an die Bergische Universität Wuppertal berufen wurde.
Und so beschrieb der Kritiker Benjamin Henrichs am 11. Juni 1976 in ›Die Zeit‹ das Karussell: ›Das dritte Bild spielt auf der Kirmes. Vorne ein großes Kinderkarussell mit Tierfiguren und bunten Lämpchen. Hinten die Rückwände von drei Jahrmarktsbuden. Heinrich Sonntag, Fabrikdirektor, und Lieschen Puderbach, Färbertochter, erleben hier eine kurze, schwindlige Liebesgeschichte. Sie fahren mit dem Karussell, beide sind schon ein bißchen betrunken, und Angela Winkler reißt bei der Fahrt den Mund auf, breitet die Arme weit aus, ist so fassungslos selig, als lerne sie nun das Fliegen. Das Karussell dreht sich weiter, immer schneller, die Musik hat längst aufgehört. Wenn die beiden dann heruntersteigen, haben der Alkohol und die rasende Fahrt einen großen Schwindel in ihren Köpfen erzeugt – und man begreift, warum die beiden viel mehr verwirrten als ineinander verliebten Leute kurz danach, in der Jahrmarktsbude der Mutter Pius, ein unseliges, unsinniges Liebespaar werden müssen.‹