Entwürfe für Prinzipalstücke (Wettbewerb)

Willibrordi-Dom zu Wesel 12/2012

Im Zuge eines eingeladenen Wettbewerbs wurden vier Bildhauer und vier Architekturbüros zur Teilnahme eingeladen um Entwürfe für eine neue Kanzel, einen neuen Altartisch, ein Kreuz und einen Ambo vorzulegen.

Dem Entwurf liegt zum Ersten der Gedanke einer Harmonisierung zwischen Raum, Liturgie und Prinzipalstücken zu Grunde. Der immense Raum – die fünfschiffige Basilika – ist ein Juwel spätgotischer Baukunst, was besonders auffällig in den Rippennetzwerken der Heresbach-Kapelle und der Alyschläger-Kapelle zum emblematischen Ausdruck gelangt. Dies führt zur zweiten Maxime des Entwurfs – zur Leichtigkeit. Die Gotik zeichnet sich durch Leichtigkeit im Rauminneren aus und unsere Entwürfe wollen diesen Geist übernehmen und mit heutiger Materialität umsetzen.

Die von uns verwendeten gotischen Formenzitate sind nicht Ornament, sondern erweisen sich als statisch notwendige Vernetzungen. Augustus Welby Pugin benutzte in seinem Buch „The True Principles of Pointed Architecture“ (1840) einen Begriff, den später Eugène Emmanuel Viollet-le-Duc als l’ornementation décadente weiter verwendete. Er verurteilte damit dekorative Auswüchse des Historismus und sprach auch abfällig von l’attribut détachable, also von abnehmbaren Hinzufügungen. Für ihn war die gotische Formenwelt baukünstlerisch immer notwendiger Bestandteil und nicht Dekoration.

Der Entwurf sucht die Integration der Prinzipalstücke in die Vierung und setzt sich mit dem axialen Sichtbezug zum Chor und der Orgel auseinander. Wir möchten Formen der Pflanzenwelt, wie sie in der christlichen Symbolik vorkommen, zitieren. Sind in den Treppenversteifungen der Kanzel Christusdorn, in der Zarge des Altartisches Weinranken, im Kapitell des Kreuzschafts die Palme und als Kanzelunterbau Ähren zu erkennen? Die Muster der Pflanzenwelt durchbrechen statisch überdimensionierte Bauelemente und machen sie dadurch filigraner und das Ganze leichter. Wir setzen uns mit einer historisierenden Herangehensweise auseinander und referieren dadurch gerade auf den Willibrordi-Dom, der in den beiden letzten Jahrhunderten gleich zweimal stark überformt wurde. Im wunderbaren Gotteshaus lebt die leidenschaftliche Suche nach den Wurzeln des gotischen Erbes auf mannigfaltige Weise fort.

Als Materialien kommen schwarzes Stahlblech und Lindenholz zur Anwendung. Dank der Technik des Laserschneidens sind komplexe Formen ohne besonderen Aufwand herstellbar. Durch Abkanten an der konstruktiv richtigen Stelle wird das Blech versteift. Durch Bindebleche wird aus Einzelgliedern ein statisch wirksamer Träger oder eine Stütze zur Aufnahme von Knicklasten. Das Stahlblech wird mit Leinöl eingerieben, das nach wenigen Tagen oxidiert und einen seidenmatten Glanz erzeugt. Die Füllungen sind aus Lindenholz, dem bevorzugten Schnitzholz der Spätgotik. Die massiven Holzplatten sind hell und lassen sich gut reinigen. Der Verbund zwischen Stahlblechen und Holzplatten ist statisch notwendig – die Holzplatten sind gleichsam Windverbände – und erfolgt mit Schrauben und geeignetem, dauerelastischen Kleber, der auch den direkten Kontakt zwischen beiden Materialien ausschließt. Die Füllung des Kreuzes könnte austauschbar sein, um farblich auf das Kirchenjahr abgestimmte Elemente einsetzen zu können. Der Altartisch wiegt 59 kg (3,6 dm3 Stahl, 58,1 dm3 Lindenholz) und ist von 4 Mann gut zu verrücken.

Der Gebrauch und die Pflege des Mobiliars sind einfach, das Umstellen von Altar, Ambo und Kreuz ist unproblematisch – ja selbst die Kanzel ist nicht an ihren einmal gewählten Standort gebunden.

Auslober
Willibrordi-Dombauverein, Wesel

Vorsitzender
Karl-Heinz Tieben

Wettbewerbsbetreuung
Fred-Jürgen Störmer, Architekt BDA, Wesel

Entwurf
Jürg Steiner und Andreas Froncala

Dank an
Dieter Schulz (Lasertec, Mittenwalde) und Christian Schneider (Tischlerei Cramer und Schneider, Berlin-Schöneberg)