Empedokles – Hölderlin lesen

Schaubühne am Halleschen Ufer, Berlin-Kreuzberg 02/1975

›Vor einer […] Lichtwand, die der in Paris lebende italienische Bühnenbildner Antonio Recalcati bis zur Premiere mit Hunderten farbiger Glühlampen bestücken wird, erhebt sich ein rötliches, stellenweise weiß bestäubtes Styropor-Gebirge, bis in die abgebrochenen Felszacken nachgebaut den getürmten Schollen in Caspar David Friedrichs Gemälde „Das Wrack im Eis oder Die im Eismeer zerschellte Hoffnung‘.

Auf diesem Symbol-Gletscher eines kaputten Traumes schreiten nicht die Nachthemd-Griechen, die ich bisher in „Empedokles“-Aufführungen gesehen habe. In schwerem Pelzmantel, mit einer Pelzkappe über mit Kopf und Nacken schützenden Wollhaube, mit schwarzer Schneebrille gegen den Wind geduckt, kauern Empedokles (Bruno Ganz) und sein Schüler Pausanias (Hans Diehl) im Gebirgsmassiv dieses Kunst-Vulkans.‹

Quelle: Rolf Michaelis in DIE ZEIT Nr. 52 – 19. Dezember 1975
Link: www.zeit.de/1975/52/zeitgenosse-hoelderlin

›Die Verlegenheit gegenüber einem undramatischen Weihespiel über den legendären Philosophen, Arzt, Dichter und Politiker Empedokles aus Agrigent, dem heutigen Grigenti auf Sizilien, der im 5. Jahrhundert vor Christi Geburt, von seinen Mitbürgern verbannt, in den Ätna gesprungen sein soll, ist erst gewichen, als Klaus Michael Grüber 1975 an der Schaubühne am Halleschen Ufer in Berlin einen ganz neuen Zugang versucht hat.

Grüber hat nicht mehr einen Kranz schöner Verse aus dem Zitaten-Schatz gewunden („O ehre, was du nicht verstehst“; „Dies ist die Zeit der Könige nicht mehr“; „O gebt euch der Natur, eh sie euch nimmt“), sondern – auf zwei Bühnen gleichzeitig inszenierend – Hölderlins Version vom großen Einzelnen in einer feindlichen Gesellschaft verwandelt in ein Panorama zugleich mythischer und moderner Bilder. Die Schaubühne spielte den (mit 522 Versen kürzesten) dritten Entwurf, erweitert um einige Verse vom Beginn der ersten Fassung.‹

Quelle: Rolf Michaelis in DIE ZEIT Nr. 23 – 1. Juni 1984
Link: www.zeit.de/1984/23/tod-dem-empedokles

Jürg Steiner, der Werkstättenleiter, koordinierte die Produktion mit komplexen Schnittstellen zwischen Bühnentechnik, Beleuchtung und Theaterplastik – auch eine neue Tribüne für die Zuschauer galt es zu erstellen.

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